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Gastbeitrag: Ein Blick in die Welt der Geräusch-Minimierung und wie sie bei Autismus helfen kann

Viele Autisten haben Probleme damit, dass sie Geräusche nicht ausblenden können, sodass die Geräuschbelastung über den Tag verteilt zu viel wird. Doch was kann man gegen eine Geräuschüberlastung tun?

Erstmal wäre es natürlich am sinnvollsten sich von Geräuschen fernzuhalten, doch das geht oft nicht, ob beim Mittagessen in einer Kantine, bei der Arbeitstherapie, oder im Großraumbüro. Auch zum Beispiel beim Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln kann dies zum Problem werden. Ich empfehle, keine Geräuschreduzierung beim Autofahren als Fahrer einzusetzen, da hier die Geräuschkulisse wichtige Informationen beinhalten kann, zum Beispiel ein von hinten kommender Krankenwagen.

Passive Geräusch-Unterdrückung

Von einer passiven Geräuschunterdrückung redet man, wenn keine aktive (elektronische) Komponente in der Unterdrückung ist. Also die Reduzierung rein mechanisch geschieht. Hierbei wird oft angegeben, um wie viel dB(A) etwas Geräusche reduziert. dB(A) ist eine logarithmische Einheit. Ich will hier jedoch jetzt nicht mit Mathe quälen, sondern eine Faustregel an die Hand geben, 3dB(A) mehr entsprechen einer Verdoppelung der Lautstärke.

Eine kleine Tabelle damit, was wie laut sein könnte, findet sich hier: https://www.hug-technik.com/schallpegel-laermpegel.html

Nun gibt es eine Variante der passiven Geräuschunterdrückung, die als großer Kopfhörer daher kommt, der aber fest an den Ohren anliegt und damit für Brillenträger unangenehm sein kann. Die Rede ist von Baustellenkopfhörern, diese Reduzieren den Lärm normalerweise um 20-30dB(A), was bereits eine gute Wirkung haben kann. Man muss jedoch beachten, dass hier die oberen Frequenzen mehr gedämmt werden wie die unteren.

Eine andere Möglichkeit ist das altbekannte Ohropax.

Was viele nicht wissen, Hörgeräteakustiker bieten an das Ohr angepasste Hörschutze an. Diese werden nach der Form des Ohres hergestellt und je nachdem, was gebraucht wird, mit „Filtern“ ausgestattet, die entweder alle Frequenzen oder bestimmte Frequenzbereiche um eine gewisse Stärke dämpfen. Dies bietet sich vor allem für Personen, an, denen ein Over-Ear Geräuschschutz zu unbequem ist oder die Ohropax nicht ertragen. Diese können auch so eingestellt werden, dass sie zum Beispiel nur das Frequenzspektrum für „Lärm“ reduzieren, nicht aber für gesprochene Sprache.

Als letzte Möglichkeit, die es gibt, die ich zumindest erwähnen will, sind Kopfhörer mit Geräusch-Minimierung, hierbei werden Außengeräusche minimiert und Musik im inneren wiedergegeben, das ermöglicht bei niedrigerer Musiklautstärke mehr Geräusche auszusperren. Ein billiger Vertreter dieser Gattung wären „The Plug“ von Koss.

Aktive Geräusch-Unterdrückung

Es gibt auch die Möglichkeit Geräusche aktiv, das heißt mit Elektronik zu unterdrücken, bei der aktiven Geräuschunterdrückung(ANC) wird eine Gegenschallwelle, zu einer bekannten Schallquelle ausgesendet, die diese unschädlich macht. Dies ist für einige Autisten sehr angenehm, da gerade die tiefen Bereiche herausgenommen werden, heißt bei einem Bus oder Bahn die Antriebsgeräusche, in einer Stadt das „Stadtrauschen“ und im Büro zum Beispiel die Klimaanlage. 

Wo es jedoch technologiebedingt nicht klappt, ist im Regelfall bei unregelmäßigen Geräuschen, wie zum Beispiel dem Kollegen der im gleichen Büro telefoniert, oder die Leute die sich in der Bahn unterhalten. Deswegen haben ANC Kopfhörer meist eine gute passive Geräuschunterdrückung mit an Bord. Es empfiehlt sich in jedem Fall den Kopfhörer probe zu hören, bevor man sich für einen Entscheidet. 

Man darf aber auch hier keine Wunder erwarten, „absolut still“ wird es mit solchen Kopfhörern auch nicht. Oftmals ist es daher gut, Musik wiederzugeben. Oder wie Ben aus „Ben X“, sagt, „Lärm mit bekanntem Lärm unterdrücken“.

Bei den ANC-Kopfhörern gibt es 2 Spitzenreiter in der Technologie, die unstrittig die beste Qualität in der aktiven Geräuschunterdrückung haben, das sind Bose und Sony. Ich habe jedoch nicht vor, ein Technik-Magazin zu ersetzen. Trotzdem werde ich kurz über 3 Kopfhörer schreiben, die ANC Technik an Bord haben und die aus meiner und Sofias Sicht empfehlenswert sind.

Zuerst etwas für die „Apple“ Fraktion. Wenn ihr eh ein iPhone habt, sind die AirPods pro mit aktiver Geräuschunterdrückung zu empfehlen, diese haben neben einem guten Klang für Musik das in der Fachwelt als das beste bezeichnete ANC für In-Ear Kopfhörer.

Die anderen beiden, die ich vorstelle, sind beide Over-Ear-Kopfhörer, beide drücken sich zwar an das Ohr an, sind aber nicht so stark, dass sie eine Brille unangenehm eindrücken. 

Im Alltag verwende ich persönlich die Bose Quiet Comfort 45, die für mich ein unschlagbares ANC haben und meine Musik auch im Bassbereich gut wiedergeben, diese sind mit rund 250 € jedoch nicht die billigsten auf dem Markt. Was mich zu meiner anderen Empfehlung führt, den Srythmics NC 75 diese haben ebenfalls ein gutes ANC einen leicht schlechteren Klang, kosten dafür aber nur etwa 75 €.

Bose Quiet Comfort 45
Bose Quiet Comfort 45
Srythmics NC 75
Srythmics NC 75

Gezielt hören

Ein weiteres Problem, das viele Autisten haben ist in einer lauten Umgebung wie einem Hörsaal, den Professor gezielt wahrnehmen. Hier helfen leider keine Geräuschminimierer, da sie den Professor mit minimieren.

Wenn es zu schlimm ist und der Leidensdruck hoch, kann man über eine Technik, die eigentlich für Schwerhörige gedacht ist, eine Erleichterung verschaffen. Dies geschieht mithilfe eines an Funk angeschlossenen Mikrofons, für das man einen Empfänger auf den eigenen Ohren hat. Dies ist teuer, aber ich wollte es in diesem Artikel nicht unerwähnt lassen.

Fazit

Geräuschempfindlichkeit ist in der heutigen Welt ein Problem, jedoch kein unlösbares. Mir ermöglichen meine Kopfhörer eine normale Teilnahme am Leben, die es ohne sie nicht gäbe. Ich hoffe, ich konnte aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, das Problem der Geräuschempfindlichkeit anzugehen.

Dieser Artikel wurde von einer Autistin und Informatikerin mit Spezialinteresse Noise-Cancelling-Kopfhörer geschrieben. Hierfür danke ich Elara.

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2 Gedanken zu „Gastbeitrag: Ein Blick in die Welt der Geräusch-Minimierung und wie sie bei Autismus helfen kann“

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