Hier bekommst du 11 Tipps, wie du im Alltag mit deinem autistischen Kind besser kommunizierst. Der Einfachheit halber nutze ich „Autist“, um alle Geschlechter anzusprechen.
In diesem Artikel geht es unter anderem um direkte und klare Sprache, Nutzen nonverbaler Kommunikation und Geduld, die du mit deinem Kind Tag für Tag aufbringen musst.
Warum du an deiner Kommunikation arbeiten solltest? Weil es deinen Alltag und den deines Kindes einfacher macht. Vor allem, wenn du mit einem der folgenden Themen Probleme hast. Hast du täglich mit Meltdowns zu kämpfen? Ist jede wache Minute reinster Stress? Warum tut das Kind nie, was es soll? Warum schreit es andauernd? Ständig liegt es am Boden und du fühlst dich dauer-erschöpft und ausgebrannt.
1. Verwende klare und direkte Sprache in deiner Kommunikation
Autistische Menschen haben oft Schwierigkeiten, soziale Signale zu verstehen. Dazu kommt, dass wir oft Bedeutungen in der Sprache sehr unterschwellig kommunizieren. Einfache Beispiele hierfür sind Ironie und Sarkasmus. Mit zunehmendem Alter und viel Erfahrung, kann es sein, dass dein Kind diese Dinge auch zu deuten lernt. Damit du aber besser an dein Kind herankommst, empfehle ich dir, deine Sätze klar, deutlich und einfach zu strukturieren. Vermeide lange, verschachtelte Sätze. Konzentriere dich auf das Wichtigste und versuche keine bildliche Sprache zu nutzen, weil sie nicht eindeutig ist. Uns ist oft gar nicht bewusst, wie viel wir unterschwellig in unseren Worten kommunizieren, was beim Kind leider gar nicht ankommt. Das verursacht dann auf beiden Seiten Frust.
Eine weitere Sache ist das „um den heißen Brei herumreden“. Unsere Kinder werden verwirrt und können uns nicht mehr folgen. Besser sind kurze und eindeutige Sätze.
Versuch es mal. Du wirst genauso positiv überrascht sein, wie ich es war.
2. Verwende und unterstütze mit nonverbaler Kommunikation
Kennst du den Spruch „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“? So könnte man erklären, warum es hilft, wenn du die Kommunikation bei Autismus visuell unterstützt. Es gibt dafür auch einen speziellen Ansatz, TEACCH. Kurzgefasst, geht es darum, den Alltag für dein Kind anschaulich zu gestalten. Mit Hilfe von Bildchen, Zeichnungen und Symbolen kannst du Tagesabläufe, Verhaltensweisen und Zeitpläne veranschaulichen. Wenn dein Kind weiß, was als Nächstes kommt, kann es sich besser orientieren und fühlt sich sicherer. Auch helfen hier zum Beispiel Sanduhren oder Time Timer, damit Zeit erfasst werden kann.
Versuch dir vorzustellen, dass du die Sprache nicht genau beherrschst und kein Gefühl von Zeit hast. Jetzt komme ich zu dir und sage „In 5 Minuten musst du aufhören zu spielen, weil es dann Essen gibt“. Was sind 5 Minuten? Wahrscheinlich hast du den Rest des Satzes gar nicht mehr mitbekommen, weil du an der Zeitangabe hängengeblieben bist und deine Aufmerksamkeit nicht mehr aufrechterhalten konntest.
3. Kommuniziere mit deinem autistischen Kind auf Augenhöhe
Oft sind autistische Kinder in ihrer eigenen Welt versunken. Wenn du es ansprichst, reagiert es nicht oder du verlierst seine Aufmerksamkeit sehr schnell wieder. Wenn dein Kind Körperkontakt zulässt, könntest du ihm eine Hand auf den Arm legen. Was bei mir auch super klappt ist, sich auf die Augenhöhe des Kindes zu begeben. Zwing es aber bitte nicht, dir in die Augen zu schauen. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung als Autistin sagen, dass es ein extrem unangenehmes Gefühl ist, direkt in Augen zu schauen.
4. Setze klare Erwartungen und Grenzen
Klare und einfache Sprache kann dir bei der Kommunikation mit Autisten helfen. Formuliere, was du von deinem Kind erwartest auch wie schon bei 1. beschrieben.
Damit es weiß kann, was kommt, würde ich keine Ausnahmen zu machen. Glaub mir: jedes Mal, wenn du von normalen Routinen oder Regeln abweichst, hast du wochenlang Probleme, weil dein Kind verwirrt und unsicher ist. Wir wissen beide, wie furchtbar Meltdowns für alle Involvierten sind. Strukturiere deinen Tag also gut und konsequent durch. Damit weiß dein Kind, was es zu erwarten hat. Zum Beispiel: Essenszeiten konsistent halten, den Ablauf für ins Bett gehen beibehalten usw.
Auch Grenzen müssen unbedingt immer klar sein. Wenn ein Autist x-mal nicht beim Essen sein Tablet nutzen darf und einmal dann schon, hast du wieder Meltdowns, die sich seeeeeeehr lange ziehen.
5. Nutze visuelle Hilfsmittel in der Kommunikation bei Autismus
Du kannst deine Strukturen gut visuell unterstützen. Oben hatte ich schon kurz von TEACCH erzählt. Bei meinen und auch anderen autistischen Kindern haben sich visuelle Tagespläne als sehr hilfreich erwiesen. Die täglichen Abläufe, Aufgaben und Aktivitäten werden auf einem Plan festgehalten. Dadurch kann sich dein Kind besser orientieren und es versteht, was von ihm erwartet wird. Außerdem kann es sich leichter an den Tagesablauf gewöhnen, wenn es den Überblick hat und alles mit Bildchen oder Piktogrammen dargestellt ist.
Du kannst diesen Plan mit deinem Kind erstellen oder alleine. Es ist praktisch, wenn die Bilder mit Klettverschlüssen versehen werden. Dann können die Bilder abgemacht werden, wenn die Tätigkeit erledigt ist und in eine „Fertig“ Kiste gelegt werden. Das macht vor allem jüngeren Kindern viel Spaß.
6. Hab Geduld in der Kommunikation mit deinem autistischen Kind
Hab in der Kommunikation mit Autisten Geduld. Die Verarbeitung dauert bei vielen Menschen im Autismus Spektrum etwas länger. Bei Nichtautisten hingegen läuft vieles automatisch ab. Zum Beispiel filtert das Hirn Hintergrundgeräusche raus. Es verarbeitet Mimik und Gestik von allein und kann Emotionen und Gefühle in Wörter fassen. Bei uns ist das anders. Viele Autisten können nicht filtern, was im Hintergrund und was im Vordergrund zu hören ist. Also braucht es extra Aufwand, sich zu konzentrieren und das Gesagte aufzuschnappen. Die Verarbeitung an sich läuft aber auch schon langsamer ab. Das bedeutet nicht, dass der Mensch weniger intelligent ist als andere.
Hab also Geduld. Sprich klar und erlaube deinem Kind, das Gesagte zu verarbeiten und verstehen. Die Antwort zu formulieren, dauert dann auch noch ein bisschen. Vor allem, wenn die Frage nicht einfach zu beantworten ist. Zum Beispiel ein „Wie geht es dir?“ scheint einfach, aber vielen Autisten fällt es sehr schwer, die Frage zu beantworten. Emotionen in Worte zu fassen, ist hart. Mit Verständnis und Geduld wird die Kommunikation besser. Du kannst auch hier Bilder einsetzen, die die Gefühle zeigen oder Emotionskarten benutzen. Das ist außerdem eine super Übung für dein Kind.
7. Plane deine Gespräche
Du kannst dein Kind unterstützen, indem du die Gespräche strukturierst. So kannst du zum Beispiel Fragen stellen, die dabei helfen, Gefühle und Geschichten zu ordnen. „Wie war dein Tag?“, ist sehr schwer zu beantworten. Auf welchen Teil willst du hinaus?
Besser wären hier präzisere Fragen: „Was hast du heute in Mathe gelernt?“, „Was gab es zum Mittagessen?“, „Mit wem hast du gespielt?“. Auch hier geht es darum, deinem Kind zu helfen, dass es sich besser orientieren kann und es versteht, was du genau von ihm möchtest.
8. Achte auf die Körpersprache deines Kindes
Kinder mit Autismus können Schwierigkeiten mit der Kommunikation ihrer Gefühle und Bedürfnisse haben. Daher ist es wichtig, auch auf die Körpersprache zu achten, um zu verstehen, was dir dein Kind sagen möchte. Beobachte zum Beispiel, ob es Augenkontakt vermeidet, seine Haltung verändert oder seine Hände auf bestimmte Weise bewegt. Wenn du die Körpersprache deines Kindes verstehst, kannst du besser darauf eingehen und ihm helfen, seine Bedürfnisse zu deuten und in Worte zu packen.
9. Berücksichtige die sensorischen Bedürfnisse deines Kindes
Autistische Kinder können auch Schwierigkeiten haben, sensorische Informationen zu verarbeiten. Zum Beispiel können sie überempfindlich auf Geräusche oder Berührungen reagieren. Es ist wichtig, die Bedürfnisse deines Kindes zu berücksichtigen. Dadurch schaffst du ihm ein angenehmes Umfeld. Achte darauf, welche Sinnesreize für dein Kind unangenehm sind und welche es bevorzugt. Zum Beispiel kann es helfen, Lärm zu reduzieren, indem sie Ohrstöpsel oder Geräuschdämpfer verwenden. Du kannst hier einen Gastbeitrag zu Geräuschminimierung lesen. Vielleicht kannst du deinem Kind Kleidung aus weichen Stoffen geben, wenn es auf Berührungen empfindlich reagiert.
10. Such professionelle Unterstützung
Autismus und Kommunikation ist oft eine Herausforderung für Eltern. Es kann hilfreich sein, sich professionelle Unterstützung von Therapeut*innen oder Berater*inne zu holen, die auf Autismus spezialisiert sind. Ein*e solche Expert*in kann dir dabei helfen, die Kommunikation mit deinem Kind zu verbessern. Zum Beispiel könnt ihr zusammen Strategien entwickeln, um schwierige Situationen zu bewältigen. Auch hilft oft ein genaues Hinsehen bei bestimmten Umständen. So kann man dir Ratschläge geben, wie du besser auf die speziellen Bedürfnisse deines Kindes eingehen kannst.
11. Experimentiert gemeinsam
Vergiss bitte nicht, dass dein Kind einzigartig ist. Ich habe dir hier nur einige, aber sehr feine Ideen zusammengetragen. Du musst aber unbedingt die Bedürfnisse deines Kindes wahren und respektieren. Nicht jede Idee funktioniert mit jedem Kind. Experimentiert gemeinsam und findet heraus, was in eurer Familie funktioniert. Über dein Feedback würde ich mich freuen. Entweder als Kommentar oder über meine Kontaktmöglichkeiten.
12. Fachsprache
Das ist zwar keine wirkliche Unterstützung im Alltag mit deinem Kind, aber es hilft sehr, wenn du die Fachsprache Autismus verstehst. Deshalb habe ich ein sehr ausführliches Glossar erstellt. Ich hoffe, dass es hilfreich für dich ist.
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